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Sozialdemokratische Partei Österreichs, SPÖSozialdemokratische Partei Österreichs, SPÖ (1888/89-1934 Sozialdemokratische Arbeiterpartei, SDAP, 1945-91 Sozialistische Partei Österreichs, SPÖ, seither Sozialdemokratische Partei Österreichs): Der erste Parteitag der Sozialdemokraten fand 1874 in Neudörfl (damals Ungarn) unter dem Vorsitz von H. Tauschinsky statt. In den folgenden Jahren kam es zu Spaltungen in gemäßigte und anarchistische Gruppen, daraufhin wurde in den Gerichtssprengeln Wien, Korneuburg und Wiener Neustadt der Ausnahmezustand erklärt. Ab 1886 lebte als Folge einer beabsichtigten Gründung von Arbeiterkammern erneut die Agitation sozialistischer Gruppen auf, und zu Neujahr 1888/89 konnte V. Adler auf dem Hainfelder Parteitag eine Einigung erreichen. Von da an stand die Partei auf dem Boden des Marxismus, sie hatte ihre Schwerpunkte im Raum Wien sowie in den Industriegebieten von Niederösterreich, der Steiermark, Böhmen und Mähren und trat der 2. Internationale bei. 1890 wurde erstmals auch in Österreich der Erste Mai gefeiert. Die Sozialdemokratische Partei gründete zur Vorbereitung von Wahlen lokale Wählervereine (die nicht selten aus Arbeiterbildungsvereinen hervorgingen), manchmal mit Hilfe liberaler Organisationen. Nach der Wahlrechtsreform 1897 verfügten die Sozialdemokraten über 14 Abgeordnete. Enge Kontakte bestanden zu den Gewerkschaften und zu Vorfeldorganisationen von Frauen, Jungarbeitern, Radfahrern, Naturfreunden, Sängern usw. Eine wichtige Funktion kam der sozialdemokratischen Presse zu, vor allem der "Arbeiterzeitung". Nach Einführung des allgemeinen Wahlrechts (der Männer) stellte 1907 die SDAP 87 (davon 49 deutschsprachige) Abgeordnete und wurde zweitstärkste Gruppe im Abgeordnetenhaus. Die Spaltung in eine deutsche und eine tschechische Partei konnte nicht verhindert werden. 1911 errang die Partei bei den letzten Wahlen in der Monarchie in Wien einen großen Sieg über die Christlichsoziale Partei, bekannte sich zwar weiterhin zum Internationalismus, unterstützte aber bei Ausbruch des 1. Weltkriegs die staatliche Politik. Erst im Lauf des Kriegs änderte sich diese Haltung, Ausdruck war das Attentat von F. Adler auf Ministerpräsident K. Graf Stürgkh am 21. 10. 1916. Im letzten Kriegsjahr gewann die pazifistische Richtung die Oberhand (Jännerstreiks), in den letzten Monaten vertrat die SDAP die Auflösung der Monarchie und übernahm eine führende Rolle bei der Gründung Deutschösterreichs. Maßgebend war O. Bauer, der für den Anschluss an Deutschland eintrat, als Staatsmann trat K. Renner in den Vordergrund. In der Provisorischen Nationalversammlung hatten die Sozialdemokraten 39 Sitze gegenüber 70 der Christlichsozialen und 101 der Deutschnationalen; in der im Februar 1919 (erstmals mit Beteiligung der Frauen) gewählten Konstituierenden Nationalversammlung stellten sie mit 72 von 170 Abgeordneten die stärkste Fraktion. K. Seitz wurde Präsident der Nationalversammlung und daher bis 9. 12. 1920 auch Staatsoberhaupt. An der Regierung beteiligte sich die SDAP bis Juni 1920, dann war sie bis März 1933 in Opposition. Während der Regierungsteilnahme entstanden vorbildliche Sozialgesetze (F. Hanusch) und Initiativen im Bildungswesen (O. Glöckel). Während der Oppositionszeit hatte die SDAP in Wien und in den meisten großen Städten und Industriegemeinden die Mehrheit und stellte die Gemeindeverwaltung. Die SDAP stand zur bürgerlichen Gesellschaft in bewusstem Gegensatz, wollte in Bildung (Volkshochschulen), Kultur und Sport eigene Formen entwickeln; gegenüber der katholischen Kirche war sie ablehnend bis feindlich (Freidenker) eingestellt. 1923/24 wurde unter anderem aus Ordnungskräften der Partei der Republikanische Schutzbund, eine paramilitärische Organisation mit starker Bewaffnung, geschaffen. Mit der Verabschiedung des Linzer Programms 1926 setzte sich die radikalere Gruppe um O. Bauer gegenüber der gemäßigteren um K. Renner durch. Erster Höhepunkt der Konfrontation mit der Staatsgewalt war die Julirevolte am 15. 7. 1927. In der Folge wurden auch die christlichsozialen Gegenkräfte (Heimwehr) verstärkt. Bei den letzten Wahlen in der 1. Republik 1930 wurde die SDAP stärkste Fraktion, lehnte aber Koalitionsangebote ab. Die Durchsetzung eines konservativen autoritären politischen Systems von christlichsozialer Seite begann 1933 mit der Ausschaltung des Parlaments durch E. Dollfuß, die immer stärkere Unterdrückung der SDAP führte in den Februarkämpfen 1934 zum Bürgerkrieg; nach der Niederlage der Sozialdemokraten kam es zur völligen Verdrängung aus den politischen Institutionen und dem öffentlichen Leben. Am 14. 2. 1934 wurde die SDAP verboten, alle Mandate wurden ihr aberkannt, die Organisationen wurden aufgelöst. Ein Teil ihrer Führer (O. Bauer, J. Deutsch) emigrierte in die ÈSR, wo in Brünn ein Auslandsbüro entstand, das wöchentlich die "Arbeiterzeitung" herausgab, die nach Österreich geschmuggelt wurde. Die in Österreich verbliebenen führenden Funktionäre wurden verhaftet oder überwacht, die illegalen Revolutionären Sozialisten wurden von Männern der unteren Ränge geleitet und lösten sich 1938 nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland auf. Am 14. 4. 1945 wurde die Partei als "Sozialistische Partei Österreichs (Sozialdemokraten und Revolutionäre Sozialisten)" von ehemaligen Funktionären aus der 1. Republik wieder gegründet und konnte nach dem Ende des 2. Weltkriegs noch im selben Jahr eine gesamtösterreichische Organisation aufbauen. Sie vertrat einen pragmatischen Kurs und bildete am 27. 4. 1945 gemeinsam mit der ÖVP und der KPÖ die Provisorische Regierung, nach den Wahlen vom 25. 11. 1945 eine Konzentrations- und 1947-66 mit der ÖVP mehrere Koalitionsregierungen, in denen sie als schwächerer Regierungspartner den Vizekanzler und mehrere Minister stellte (Inneres, Soziales, Verkehr und verstaatlichte Betriebe). Die vom Austromarxismus geprägten "linken" Sozialisten mussten ihre Positionen in der Parteiführung bald zugunsten pragmatisch orientierter "rechter" Politiker, wie K. Renner, A. Schärf und O. Helmer, aufgeben. Aufgrund der Erfahrungen der 1. Republik, der Bemühungen um den Wiederaufbau und die Unabhängigkeit Österreichs, der Ausbreitung des Kommunismus in Osteuropa und des fehlenden revolutionären Willens der österreichischen Arbeiter forcierte die SPÖ in der großen Koalition mit der Österreichischen Volkspartei die Zusammenarbeit mit dem bürgerlichen Lager und unterstützte die 1957 institutionalisierte Sozialpartnerschaft. Im Rahmen der Koalition setzte die SPÖ die Verstaatlichung der Grundstoffindustrie durch, konnte sich in den folgenden Jahren innerhalb der verstaatlichten Betriebe eine bedeutende politische Position aufbauen und erreichte eine wesentliche wirtschaftliche Besserstellung der Arbeitnehmer sowie eine Fülle von sozialen Maßnahmen in allen Bereichen (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz). Nach kurzzeitiger Opposition (1966-70) gelang dem neuen Bundesparteivorsitzenden B. Kreisky (ab 1967) eine Modernisierung des Programms, eine Öffnung gegenüber bürgerlichen Wählerschichten und die Übernahme der Regierungsverantwortung (Minderheitsregierung 1970-71 mit Unterstützung durch die Freiheitliche Partei Österreichs, 1971-83 Alleinregierung mit absoluter Mehrheit). 1970-2000 stellte die SPÖ ohne Unterbrechung den Bundeskanzler (1983-87 Koalitionsregierung mit der FPÖ, 1987-2000 mit der ÖVP). Bis 1986 siegten die SPÖ-Kandidaten bei allen Bundespräsidentenwahlen der 2. Republik. Die SPÖ stellt seit 1945 die Landeshauptleute von Wien, 1945-89 von Kärnten und seit 1964 des Burgenlands. Die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) dominiert den Österreichischen Gewerkschaftsbund und die Kammern für Arbeiter und Angestellte (Vorarlberg bis 1974, Tirol bis 1984). Eine dominierende Stellung nimmt die SPÖ in vielen Industriegemeinden und in mehreren großen Städten ein, darunter Linz, Steyr, Wels, Hallein, St. Pölten, Wiener Neustadt, Graz, Kapfenberg, Leoben, Bruck an der Mur und Villach. Auch die Sozialversicherungen, die Österreichischen Bundesbahnen sowie mehrere große Banken (BAWAG, Bank Austria AG) unterliegen einem starken Einfluss der SPÖ. Die SPÖ ist eine zentralistisch organisierte Partei, deren Basis die Mitglieder sind (etwa ein Drittel der Wähler). Die Mitgliederzahl sinkt tendenziell (1979: 721.000, 1990: 583.000, 1995: 487.500, 1999: 430.000). In mehr als 3000 Lokalorganisationen bzw. Sektionen (1998) betreuen zirka 55.000 Funktionäre die Mitglieder. Weitere Ebenen sind Bezirks-, Landes- und Bundesorganisationen. Obwohl der Mitgliederanteil längerfristig in Wien stärker abgenommen hat als in den anderen Bundesländern, ist Wien nach wie vor mit 30 % (1998) aller Mitglieder die wichtigste Landesorganisation. Das Zentralsekretariat wird von einem oder zwei Bundesgeschäftsführern (früher von Zentralsekretären) geleitet, die Partei gliedert sich in Referate (unter anderem Bundesbildungsausschuss, Bundesfrauenkomitee, Junge Generation, FSG). Weiters besitzt die SPÖ eine Reihe von Vorfeld- und Nebenorganisationen (Österreichische Kinderfreunde, Sozialdemokratische Jugend, Junge Generation, Freier Wirtschaftsverband, Arbeitsbauernbund, Sportorganisationen, unter anderem ASKÖ, Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs, Österreichischer Arbeiter-Sängerbund, Arbeitsgemeinschaft religiöser Sozialdemokraten usw.). Seit den 60er Jahren befindet sich die Parteipresse insgesamt im Rückgang, dies betraf auch die Regionalblätter der SPÖ, 1991 wurde auch die "Arbeiterzeitung" (ab 1989 unabhängig) eingestellt. Höchstes Organ ist der Parteitag, der von den Bezirksorganisationen und den angegliederten Organisationen beschickt wird (641 Delegierte 2000). Er wählt als Exekutivorgane den Parteivorstand (65 Mitglieder, seit 1987), das Parteipräsidium (6-10 Mitglieder, seit 1967) und den Parteivorsitzenden (1945-57 A. Schärf, 1957-67 B. Pittermann, 1967-83 B. Kreisky, 1983-88 F. Sinowatz, 1988-97 F. Vranitzky, 1997-2000 V. Klima, seit 2000 A. Gusenbauer). Daneben besteht noch ein vor allem um die Vorsitzenden der Landesorganisationen erweitertes Parteipräsidium und ein Parteirat ("kleiner Parteitag"). Die Parteiführung besitzt im Allgemeinen eine große Stabilität (Langzeitfunktionäre); die Möglichkeiten der Teilnahme an politischen Entscheidungen sind bei Funktionären der mittleren und unteren Ebene eher gering; der politischen Wirksamkeit nach außen kommt die starke innerparteiliche Disziplin zugute. Der Anteil der Frauen unter den Funktionären nimmt seit längerer Zeit kontinuierlich zu. Der Kurs der Partei war unabhängig vom Namen immer sozialdemokratisch; die Westorientierung erleichterte eine deutliche Abgrenzung zur KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs). Nach dem Aktionsprogramm 1947, das noch stark vom Linzer Programm 1926 beeinflusst war, kam dies im "Neuen Parteiprogramm" 1958 zum Ausdruck, das zwar noch austromarxistische Formulierungen enthielt, aber auf Antiklerikalismus verzichtete und die Sozialpartnerschaft anerkannte. Die Wahlsiege nach 1970 brachten zwar die Durchsetzung ideologischer Hauptanliegen (Villacher Parteitag 1971), doch wich man von den bisher geübten Formen nicht ab, sondern entwickelte sich noch stärker zu einer Volkspartei, um der Veränderung der Mitgliederschaft (weniger Arbeiter, mehr Angestellte und Beamte) gerecht zu werden. Auch das Verhältnis gegenüber der katholischen Kirche wurde unter B. Kreisky weiter verbessert. Das kam auch im Parteiprogramm vom 24. Parteitag 1978 zum Ausdruck. Die inzwischen durchgeführten Reformen im Rechts-, Sozial- und Kulturbereich wurden in das Programm übernommen; seit der Wirtschaftskrise der 80er Jahre werden auch neokonservative Lösungen, wie der Rückzug aus staatlichen Bereichen im Wirtschaftsleben (Privatisierung), anerkannt. Nach außen wurde dies vor allem in der 1991 vollzogenen Namensänderung in "Sozialdemokratische Partei Österreich" sichtbar. Die veränderten politischen Rahmenbedingungen der 90er Jahre stellen die SPÖ vor Orientierungs- und Strategieprobleme; nach einem kontinuierlichen Stimmenrückgang bei den Wahlen 1983-94 konnte die SPÖ bei den Nationalratswahlen 1995 wieder Gewinne erzielen. 1998 wurde ein neues Programm und Organisationsstatut beschlossen, das eine weitere inhaltliche und organisatorische Öffnung zum Ausdruck bringt (zum Beispiel Kandidatur von Nichtmitgliedern). Bei den Nationalratswahlen 1999 sank die SPÖ mit nur noch 1 Drittel der Stimmen auf einen historischen Tiefststand (schlechtestes Ergebnis in der 2. Republik, trotzdem weiterhin mandatstärkste Partei). Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP und nach Bildung einer ÖVP-FPÖ-Koalition wurde 2000 die SPÖ nach 30 Jahren an der Regierung zur Oppositionspartei.
Literatur: H. Hautmann und R. Kropf, Die österreichische Arbeiterbewegung vom Vormärz bis 1945, 21976; R. Neck, Sozialdemokratie in Österreich 1918-38, 1983; H. Maimann (Hg.), Die ersten 100 Jahre. Österreichische Sozialdemokratie 1888-1988, 1988; F. Kreuzer, Was wir ersehnen von der Zukunft Fernen. Die österreichische Arbeiterbewegung, 1988; P. Pelinka und G. Steger (Hg.), Auf dem Weg zur Staatspartei, 1988, N. Leser, Elegie auf Ror, 1998. Verweise auf andere Alben:
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