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Bruckner als Symphoniker |
Bruckner knüpft an die Kompositionsweise Beethovens an: Gerade in seiner 9. Symphonie
hat Bruckner das Konstruktionselement gefunden, das er als Formelement verwendet: die
Vergrößerung und Erweiterung der Einzelsätze, wie sie bei Beethoven vorgezeichnet sind.
- Die Vergrößerung erfolgt durch die Beibehaltung von drei Themen, die zumeist in
Themengruppen in der Exposition dargestellt werden. Die Erweiterung erfolgt durch die
Betonung des Codagedankens.
- In Beethovens Neunter ist der Gedanke der Wiederaufnahme einzelner Themen aus
vorangegangenen Sätzen im Finale aufgegriffen. Bei Bruckner ist die Wiederaufnahme eines
beherrschenden Themas aus dem 1. Satz ab seiner dritten Symphonie gegeben.
- Mit dieser Finalidee ist eine Schwerpunktverlagerung in der
Gesamtsymphonie gegeben. Dies ist eine der wesentlichsten
Abweichungen von der klassischen Gepflogenheit. In Beethovens Neunter kommt erstmalig ein
völlig neuer Gestaltungswille in der thematischen Bauweise zum Ausdruck, die sich von der bis
dahin in der Klassik bevorzugten liedmäßigen Themenformung weitgehend entfernt.
- Daraus
resultiert die Entwicklung des Themas aus Bestandteilen seiner Motive. Bruckner läßt das Thema aus
dem ihm innewohnenden Kräften gleichsam vor den Augen entstehen. Fast jedes Hauptthema
setzt im Piano ein, schwingt sich zu einem dynamischen Höhepunkt auf und sinkt wieder in das
Piano zurück. Diesem ersten Thema, das zumeist unregelmäßig gebaut ist und sich auf zehn,
zwanzig und mehr Takte erstreckt, folgt eine freizügige Wiederholung desselben. Damit ist ein
Zweistollenprinzip gegeben, wie es ebenfalls in Beethovens Neunter Symphonie gegeben ist.
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