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BildhauerkunstBildhauerkunst (Plastik, Skulptur): Das ausgezeichnete einheimische Material - Marmor aus Südtirol (Laas, Sterzing) und Salzburg sowie Kalk- und Sandstein - bildeten die Grundlage für eine frühe Blüte der Steinbildhauerei in Österreich. Ursprünglich trat sie besonders in Verbindung mit der Architektur als Bauplastik in Erscheinung, während für bewegliche Bildwerke und Ausstattungsstücke Holz bevorzugt wurde. Die vorromanische und romanische Bildhauerkunst in Österreich stand in enger Beziehung zu außerösterreichischen Meistern und Schulen. So sind Einflüsse aus Süddeutschland, insbesondere aus Bayern, vereinzelt aber auch aus Italien, Frankreich und Spanien nachzuweisen. Übermittelt wurden diese Einflüsse meist durch wandernde Künstler. Die hoch einzuschätzende Produktion an Bau- und Kultplastik dieser Zeit, die vorwiegend im Dienst der Kirche stand, ging mit den Bauten zum größten Teil zugrunde. Trotzdem gibt es in Österreich noch eine ganze Reihe künstlerisch hochwertiger Bildwerke aus der Romanik; zu den bedeutendsten zählen das Salzburger Marienrelief, die Kruzifixe aus Ludesch, Gaal und Göß, die Lettnergruppe in Seckau, der Salzburger Salvator mundi sowie die Gurker Türreliefs und die Grabplatte des letzten Babenbergers Friedrich II. in Stift Heiligenkreuz. Im 13. Jahrhundert nahm neben Salzburg der Wiener Raum eine Sonderstellung ein. Hier entwickelte sich aus der Tradition des 12. Jahrhunderts eine Bauhüttenschule, deren große Bedeutung sich in der Bauplastik der Stephanskirche ausdrückt. Die großen und reichhaltigen Portalgestaltungen gehören in Österreich vorwiegend der Spätromanik des 13. Jahrhunderts an (unter anderem das Riesentor des Wiener Stephansdoms, die Portale der Franziskanerkirche in Salzburg, der Stiftskirchen St. Paul i. Lavanttal und Heiligenkreuz sowie der Tullner Pfarrkirche). Der reiche plastische Schmuck an der Apsis der Kirche von Schöngrabern (um 1240/50) ist in Österreich eine singuläre Erscheinung, vergleichbare Gegenstücke gibt es nur in Frankreich und in Italien. Relativ zahlreich sind spätromanische Einzelwerke, wie Marienstatuen, Heiligenfiguren, Kruzifixe und Grabsteine (Viktring, Gurk, Heiligenkreuz, Wilhering). Viele Werke aus der in Österreich um 1250 einsetzenden Gotik gehören mit zu dem Bedeutendsten, was an europäischer gotischer Bildhauerkunst erhalten ist. Allerdings sind Hinweise auf Ort und Zeitpunkt der Entstehung, besonders aber auf die Herkunft der Künstler spärlich. In der frühgotischen Phase des 14. Jahrhunderts lag der Schwerpunkt der österreichischen Bildhauerkunst im Wiener Raum um den Herzogshof. Charakteristische österreichische Züge traten besonders an den Marienstatuen hervor, zu deren nennenswertesten Beispielen die Wiener Dienstbotenmadonna sowie die Muttergottesstatuen aus Klosterneuburg, St. Florian und Admont zählen. In der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts fungierte der Hof Karls IV. in Prag als wichtiges Vorbild, was einen regen künstlerischen Austausch sowie die Aufnahme auch internationaler Einflüsse zur Folge hatte. Um 1400 setzte mit dem "weichen Stil" eine Blütezeit der österreichischen Plastik ein, die in Vesperbildern (auch Pietà genannt; insbesondere aus den Wiener, niederösterreichischen, steirischen und Kärntner Bildhauerschulen) und den durch Böhmen geprägten "Schönen Madonnen" (besonders in Salzburg und in der Obersteiermark) beredtesten Ausdruck fand. Im 15. Jahrhundert herrschte bereits in allen Ländern eine reiche künstlerische Tätigkeit, wobei Graz, Innsbruck und Wiener Neustadt zeitweise Wien den Rang abliefen. Von den vielen lokalen Kunstschulen erlangten jene von Großlobming und Salzburg größere Bedeutung. Um 1430 kam ein realistischer Stil (auch "schwerer Stil" genannt) auf, der sich besonders in Wien, aber auch in den Alpenländern reich entfaltete; zu seinen Hauptvertretern zählten J. Kaschauer und der Meister des Znaimer Altars. Zum bedeutendsten Aufgabenbereich der Bildhauerkunst wurde zu dieser Zeit die Altarschnitzkunst (Flügelaltäre). Die Bildhauerkunst, die bislang fast ausschließlich im Dienst von Adel und Kirche stand, fand im Lauf des 15. Jahrhunderts zunehmend auch Auftraggeber im Bürgertum. Zu den namhaften Bildhauern der Spät- und Renaissancegotik in Österreich gehörten N. Gerhaert van Leyden, J. Kaschauer, M. Pacher, L. Astl, L. Luchsperger, H. Valkenauer, A. Pilgram sowie die Meister der Flügelaltäre in Kefermarkt und Mauer bei Melk. Formensprache und Ausdrucksformen der Spätgotik konnten bis weit ins 16. Jahrhundert fortleben. Parallel dazu kam es ab 1500 auch in der Bildhauerkunst zu einer Änderung der Auffassung von Körper und Natur, zur Stilphase der Donauschule, als deren Vertreter in Österreich A. Lackner, der Meister des Pulkauer Altars sowie der Meister I. P. zu nennen sind. Werke wie der plastische Schmuck am "Goldenen Dachl" oder die Bronzestatuen des Maximilian-Grabmals in Innsbruck bezeichnen die Überleitung zur Bildhauerkunst der Renaissance. Der Metallguss, der früher fast nur für kunstgewerbliche Arbeiten genutzt worden war, wurde im 16. Jahrhundert zu einer der wichtigsten Techniken der Bildhauerkunst. Die Renaissance verselbständigte die plastische Figur. Großartige Leistungen lieferte die monumentale Grabplastik um die Wende zum 17. Jahrhundert (Mausoleum Herzog Karls II. in Seckau, Grabkapelle von Erzherzog Ferdinand II. und Philippine Welser in der Innsbrucker Hofkirche, Mausoleum Kaiser Ferdinands II. in Graz). Bedeutende Bildhauer dieser Zeit waren A. Colin und H. Saphoy. Das Barock brachte in Österreich wieder namhafte bodenständige Bildhauer und -schnitzer hervor. Die aus Italien eingewanderten Künstler traten bald in rege Auseinandersetzung mit dem herrschenden Stilgut. Aber auch die Zahl der heimischen Meister stieg, begünstigt durch die politischen Ereignisse (M. Guggenbichler, M. B. Mandl, Fam. Schwanthaler, Paul und Peter Strudel, Fam. Zürn). Diese Bildhauer entwickelten ihren eigenen Charakter aus lokalen Verhältnissen, besonders in Gebieten, in denen die aus dem Spätmittelalter fortwirkende Tradition gepflegt wurde. Die Bildhauerkunst folgte vielfach der Inszenierungskunst des barocken Gesamtkunstwerks; war das Einzelne anfangs nur ein Teil, so fanden sich die Figuren und Gruppen bald zu epischen Zyklen, deren Inhalte aus der geistigen und historischen Situation des damaligen Österreichs zu erklären sind. Das Barock bot den Bildhauern vielfältige Aufträge (Bildstöcke, Pestsäulen, Gartenskulptur) und stellte die Bildhauerkunst wieder überwiegend in den Dienst der Architektur. Der anmutig erzählende Stil, dessen Geburtsland der östliche Donauraum war (zum Beispiel M. Steinls architektonische Werke in Dürnstein, Melk und Zwettl), schuf eine einmalige, fast "musikalische" Stimmung des Farbraums, der für die österreichische Barockplastik ebenfalls charakteristisch ist. Die Bildhauerkunst des frühen 18. Jahrhunderts wurde von Künstlern wie G. Giuliani und G. R. Donner geprägt. Ihr großer Einfluss auf die österreichische Bildhauertradition lässt sich am Werk ihrer Schüler und Nachfolger ermessen. Zu den bedeutendsten Bildhauern des Spätbarock und Rokoko in Österreich zählen F. X. Messerschmidt, J. Schletterer, J. T. Stammel, B. Moll und J. G. Dorfmeister. Im Rokoko drang die Kunst plastischer intimer Genreszenen bis in die kleinsten Dorfkirchen vor. Gleichzeitig erlebte die figurale Porzellanplastik in der Wiener Porzellanmanufaktur ihre erste Blüte. Als Lehrstätten der Bildhauer entstanden im Barock die Akademien, von denen die Wiener Akademie der bildenden Künste als die bedeutendste großen Zulauf fand. Matthäus Donner, B. Moll und J. Schletterer gehörten zu ihren Professoren. In den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts wurde die Freisprechung des Meisters - bislang die Bedingung für die berufliche Betätigung als akademische Bildhauer - abgeschafft. Die barocke Formensprache wurde vielfach bis in das 19. Jahrhundert überliefert (J. B. Hagenauer, A. Grassi). Eine Erneuerung der Bildhauerkunst brachte in Österreich erst die Romantik, die sich an antiken und französischen Vorbildern orientierte (A. Canova, F. A. Zauner, J. Klieber). Im Vormärz spielte die Bildhauerkunst eine untergeordnete Rolle; nur in der Kleinplastik, insbesondere in der Porzellanplastik, kam es zu nennenswerten Leistungen. Erst die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte für die Bildhauer wieder neue repräsentative Aufgaben, vor allem mit der Ausgestaltung der Wiener Ringstraße. Neben der Bauplastik war ein wichtiger Bereich der Bildhauerkunst die Gestaltung von Denkmälern sowie die Porträtplastik, die sich einer neuen äußeren Vollkommenheit näherte. Namhafte Bildhauer der Gründerzeit waren A. D. Fernkorn, C. von Zumbusch, V. Tilgner, C. Kundmann und H. Gasser. Um die Wende zum 20. Jahrhundert setzte eine neue Emanzipation der Bildhauerkunst ein. Die Loslösung von der beherrschenden Architektur bzw. die Suche nach eigenständiger Ausdrucksform wurde das erklärte Ziel. In Österreich wurde diese Bewegung theoretisch von E. Hellmer und der Wiener Secession vorbereitet. Den Durchbruch schaffte aber erst A. Hanak, der selbst noch stark der Produktionsweise der Gründerzeit verhaftet war. Hanak warf auch die Frage nach der Sprache des Materials und materialgerechter Bearbeitung erneut auf. Seine Schüler wurden nach dem 2. Weltkrieg vielfach zu Leitfiguren der österreichischen Bildhauerkunst (F. Wotruba, H. Leinfellner, S. Charoux). Die menschliche Figur wurde auch zum zentralen Thema österreichischer Bildhauer wie A. Urteil, H. Knesl, W. Bertoni, R. Hoflehner, O. Bottoli, J. Avramidis, J. Pillhofer, M. Bilger-Biljan und A. Hrdlicka. Daneben entwickelten sich zahlreiche unterschiedliche künstlerische Ausdrucksformen, oft verbunden mit neuartigen Materialien und Techniken sowie neuen Definitionsversuchen. Charakteristisch ist auch der vielfach unternommene Versuch einer Grenzüberschreitung und Verschmelzung zwischen den verschiedenen Bereichen der bildenden Kunst. Zu den international renommiertesten österreichischen Bildhauern zählen heute unter anderen A. Hrdlicka, J. Pillhofer, W. Götzinger, K. Prantl, W. Pichler, E. Wurm, H. Kupelwieser, F. X. Ölzant, I. Kienast, J. Schagerl, B. Gironcoli, F. West, M. Wakolbinger, W. Würtinger, M. Maderna und G. Moswitzer. Literatur: E. Tietze-Conrat, Österreichische Barockplastik, 1926; F. Novotny, Romanische Bauplastik in Österreich, 1930; H. Decker, Barockplastik in den Alpenländern, 1944; G. von der Osten, Plastik des 19. Jahrhunderts in Deutschland, Österreich und der Schweiz, 1961; J. Muschik, Österreichische Plastik seit 1945, 1966; Gotik in Österreich, Ausstellungskatalog, Krems 1967; R. Wagner-Rieger (Hg.), Die Wiener Ringstraße, Band IX, 3 Teile, 1973-80; Die Renaissance in Österreich, Ausstellungskatalog, Schallaburg 1974; Neue Wege des plastischen Gestaltens in Österreich, Ausstellungskatalog, Graz 1984; I. Dolinschek, Die Bildhauerwerke in den Ausstellungen der Wiener Secession von 1898-1910, 1989.
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