Hinweis: Das ist ein alter - nicht mehr gewarteter - Artikel des AEIOU. Im Austria-Forum finden Sie eine aktuelle Version dieses Artikels im neuen AEIOU.
MusikMusik: Österreich gilt als das Land der Musik schlechthin und wird in der Welt in erster Linie über die Musik definiert (Schlagwort "Musikland Österreich"). Erste Nachweise für Musik in Österreich finden sich in Knochenpfeifen aus der Altsteinzeit, doch bestimmten bis in das Frühmittelalter zuwandernde Völker, wie Illyrer, Kelten und Römer, die musikalische Kultur, wobei diese Einflüsse auch nebeneinander wirksam wurden. Von der Entwicklung eines eigenständigen österreichischen Musiklebens kann seit dem Mittelalter gesprochen werden: Seit damals bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts waren Kirche (vor allem Klöster und Stifte) und hoher Adel bzw. der Herrscher die Träger der musikalischen Hochkultur. Bürgerliches und bäuerliches Musikleben erfuhren erst im 19. Jahrhundert eine Aufwertung und galten bis dahin als Subkultur (dementsprechend mangelhaft sind die Quellen aus früherer Zeit). Hauptcharakteristikum der österreichischen Musikkultur ist die Mischung aus verschiedenen europäischen Richtungen, weshalb es auch kaum möglich ist, das spezifisch österreichische Element konkret zu bestimmen. Die Minnesänger erfuhren besonders durch die Babenberger Förderung, unter anderem Neidhart von Reuental, Reinmar von Hagenau und Walther von der Vogelweide; das Nibelungenlied entstand ebenfalls auf österreichischem Boden. Zeichen eines regen Musiklebens ist die Gründung der Nicolai-Bruderschaft im 13. Jahrhundert, einer "Musiker-Zunft", die an St. Michael in Wien ihren Sitz hatte. Musik als eine der Sieben Freien Künste ("septem artes liberales") war auch Unterrichtsgegenstand an der mittelalterlichen Universität, wo Musik als naturwissenschaftlich-mathematisches Phänomen und nicht als praktisches Musizieren gelehrt wurde. An der Wende zwischen Mittelalter und Neuzeit steht der Meistersang, der von der Mitte des 16. bis Anfang des 17. Jahrhunderts vor allem in Oberösterreich (Wels, Steyr, Eferding) eine Blüte erlebte. Höfisches Musikleben ist bereits aus dem Mittelalter bekannt, sowohl im Bereich der Kirchenmusik (Hofkapelle) als auch im weltlichen Bereich (Minnesang oder das Auftreten von "ioculatores" bei höfischen Festen), aber erst die repräsentative Machtentfaltung der Fürsten zu Beginn der Neuzeit bot die Voraussetzung für die starke Entfaltung der höfischen Musikkultur. Nach dem Aussterben der Luxemburger (1437) übernahmen die Habsburger deren Hofmusikkapelle (erster namentlich bekannter Hofkapellmeister ist J. Brassart). Zu einem ersten Höhepunkt höfischer Musikkultur kam es unter Maximilian I. (H. Isaac, L. Senfl, P. Hofhaimer). Weitere Spitzenleistungen musikalischen Hoflebens entstanden am Prager Hof Rudolfs II. (F. de Monte) und am Grazer Hof des späteren 16. und frühen 17. Jahrhunderts. In Graz vollzog sich schließlich eine wichtige Trendwende: Hatten bis dahin die so genannten "Niederländer" das Musikleben beherrscht, so begann an der Wende zum 17. Jahrhundert die Vorherrschaft der Italiener. Der Kaiserhof verhielt sich noch konservativ, doch die Grazer Erzherzöge, die nach dem Aussterben der in Österreich regierenden Linie die Kaiserwürde übernahmen, wandten sich der neuen Richtung zu, sodass es rasch zu einer "Italianisierung" der kaiserlichen Hofmusikkapelle kam. Unter italienischem Einfluss änderten sich auch die Formen musikalischer Repräsentation: Nicht mehr die Staatsmotette, sondern die höfische Oper begann ab der Mitte des 17. Jahrhunderts die Feste zu dominieren (erste Opernaufführung nördlich der Alpen 1618 in Salzburg, erste Oper am Kaiserhof 1625). Besonders dem hohen Musikverständnis der Kaiser des Hoch- und Spätbarock, Ferdinand III., Leopold I., Joseph I. und Karl VI., die selbst Komponisten und Interpreten waren, ist es zu verdanken, dass die Wiener Hofmusikkapelle unter A. Draghi, M. A. Ziani, A. Caldara und J. J. Fux zu einem Ensemble von Weltruf wurde. Die prominentesten Musiker der Zeit waren Mitglieder der Kapelle bzw. komponierten für den Hof (C. Monteverdi, M. A. Cesti, A. Bertali, G. B. Bononcini, J. J. Froberger, W. Ebner, G. Muffat usw.). Der Stil der Hofmusikkapelle wirkte im Einflussbereich der Habsburger in der dramatischen Musik, der Kammermusik und der Kirchenmusik geschmackbildend ("Kaiserstil") und wurde wie das Zeremoniell bis in die kleinsten Einheiten (weltliche wie geistliche Musik) nachgeahmt. Erst gegen Mitte des 18. Jahrhunderts begann der Adel, eine eigenständige Musikkultur aufzubauen und sich weniger am Kaiserhof zu orientieren. Auch die Musikpflege in den österreichischen Klöstern und Stiften orientierte sich im weltlichen wie geistlichen Bereich am Kaiserhof: Die Komponisten der kaiserlichen Hofmusikkapelle finden sich auch in den Repertoires der Klöster, und Formen wie Ordensdrama und Oratorium wurden den höfischen Vorbildern angeglichen. Mit dem Tod Karls VI. endete in Österreich das höfische Barock. Eine der ersten Sparmaßnahmen von Maria Theresia betraf die Hofmusikkapelle, die - wenngleich nur kurzfristig - "verpachtet" wurde: Der Adel wurde zum Träger des Musiklebens. Die Entwicklung der Wiener Klassik aus Rokoko, empfindsamem und galantem Stil begründete den Ruf Wiens als Weltstadt der Musik. Besonders die Instrumentalmusik (Symphonie, Streichquartett usw.) erfuhr durch die Meister der "klassischen Trias", J. Haydn, W. A. Mozart und L. von Beethoven, eine entscheidende Entwicklung. Aber auch die dramatischen Gattungen, einst eine Domäne des Hofs, wandelten sich, einerseits durch die Entwicklung der großen Oper (besonders durch C. W. Gluck und W. A. Mozart), andererseits durch die des Wiener Singspiels (W. A. Mozart, F. X. Süßmayer, J. B. Schenk, K. Ditters von Dittersdorf, J. Weigl, I. Umlauff und andere). Wichtig war auch der rasche Aufschwung der Vorstadttheater (Leopoldstadt, Josefstadt und Theater an der Wien), die mit Singspiel, Parodie und musikalisch durchsetzten Theaterstücken zu wichtigen Stätten bürgerlichen Musikgeschmacks wurden. Eine weitere Veränderung der gesellschaftlichen Trägerschicht des Musiklebens gegen Ende des 18. Jahrhunderts bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts zeigt sich darin, dass das Bürgertum, den adeligen Lebensformen nacheifernd, immer stärker in ehemals adelige Bereiche drängte: Musik wurde vom adeligen "Privileg" zum allgemeinen (bürgerlichen) Bildungsgut. Politische Erscheinungen wie das Ende des Heiligen Römischen Reichs und der Metternichsche Zensurstaat förderten diese "Verbürgerlichung". Obwohl im Biedermeier Hausmusik und Salonkultur eine Blütezeit erlebten, wurden allen Repressalien zum Trotz die wichtigsten Institutionen auch für das Musikleben der heutigen Zeit in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet: 1812 die Gesellschaft der Musikfreunde (Wien), 1815 der Musikverein für Steiermark (Graz), 1818 der Innsbrucker Musikverein, 1821 die Gesellschaft der Musikfreunde (Linz), 1828 der Kärntner Musikverein, 1837 der Musikverein St. Pölten und 1841 der Dommusikverein Salzburg. Durch die rasch wachsende Nachfrage stieg die Zahl der Musikverleger und Instrumentenbauer deutlich an, und ein auf den Musikliebhaber ausgerichtetes Zeitschriftenwesen entstand. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und um die Jahrhundertwende erfuhr das österreichische Musikleben einen neuen Höhepunkt. Das zeigte sich auf dem Gebiet der Symphonik (J. Brahms, A. Bruckner, G. Mahler), der Oper (R. Strauss und H. von Hofmannsthal, H. Wolf, F. Schreker und andere), des Lieds (in der Nachfolge von F. Schubert H. Wolf, R. Strauss, J. Brahms) sowie in der gehobenen Unterhaltungsmusik (Tanzmusik, Walzer, Polka, Militärmusik) und der Operette. Neben der Familie Strauß erreichten J. Lanner und F. von Suppé hohe Bekanntheit, weiters K. Millöcker, K. Zeller, R. Heuberger, F. Lehár, E. Kálmán und R. Stolz. Die Wiener Theaterwelt (allen voran die Hofoper) und das Konzertwesen erlebten eine Blüte und beeinflussten maßgeblich das europäische Musikleben. Einen Höhepunkt spätromantischer Symphonik und Liedkunst bildet das Werk G. Mahlers, das bereits Elemente der Moderne aufweist. Der Beginn des 20. Jahrhunderts ist eng mit den Namen A. Schönberg, A. Berg und A. Webern und der Entwicklung der Dodekaphonie (Zwölftonmusik) verbunden. Die sich daraus entwickelnde "Wiener Schule" war entscheidend für die Entwicklung der Avantgarde und beeinflusst noch heute viele Komponisten. Als durch den Nationalsozialismus viele "Neutöner" in die Emigration getrieben wurden, fand ihre Richtung weltweite Verbreitung. Das 20. Jahrhundert ist (nicht nur in Österreich) von einem starken Stilpluralismus gekennzeichnet: Viele Komponisten sind bestrebt, aus den bestehenden Richtungen schöpfend, einen eigenen Personalstil zu kreieren. Das Spektrum reicht von Spätromantikern (J. Marx, E. Kornauth, J. Bittner) über Dodekaphonisten (E. Krenek, H. E. Apostel) bis zu Avantgardisten, wie F. Cerha, R. Haubenstock-Ramati, K. Schwertsik, G. Ligeti oder O. M. Zykan. Auch elektroakustische Medien, stark beeinflusst durch die französischen Komponisten und gefördert durch Avantgarde-Festivals wie die Ars electronica oder den steirischen herbst, werden von vielen österreichischen Komponisten verwendet (K.-H. Essl, D. Kaufmann, G. Ligeti und andere). In der Unterhaltungsmusik erfreut sich neben Walzer, Polka, Operette und Blasmusik besonders die so genannte "volkstümliche Popularmusik" großer Beliebtheit und gilt im Ausland als einer der wichtigsten Faktoren nationaler Identität. Träger des heutigen Musiklebens sind neben den großen Institutionen (Bundestheater, Wiener Konzerthaus, Musikverein, Brucknerhaus), den professionellen Chören und Orchestern vor allem unzählige Vereine, Schulen und private Initiativen. Literatur: R. Flotzinger und G. Gruber, Musikgeschichte Österreichs, 21995; H. Goertz, Musikhandbuch für Österreich, 1989; derselbe, Österreichische Komponisten unserer Zeit, 1994; G. Schweiger, Österreichs Image im Ausland, 1988; G. Kraus (Hg.), Musik in Österreich, 1989. Verweise auf andere Alben:
|