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MedizinMedizin: Die wissenschaftliche Medizin begann in Österreich mit der Gründung der Universität Wien (1365), an der Galeazzo de Sancta Sophia aus Padua und sein österreichischer Schüler J. Aygel bahnbrechende 1. Sezierungen durchführten. Mit Österreich war auch Paracelsus, der Reformator der Heilkunde, eng verknüpft. H. Guarinoni ist als barocker Vorkämpfer für Volksgesundheit und Pastoralmedizin überliefert, P. Sorbait, Leibarzt von Maria Theresia, bewährte sich in der Pest- und Türkenzeit. Van Swieten schuf den Boden für die Wiener Medizinische Schule, die den Ruhm der österreichischen Medizin begründete. An der Universität Graz wurde 1863 die Medizinische Fakultät eingerichtet, nachdem schon 1820 eine Medizinisch-chirurgische Anstalt eröffnet worden war. Dem Anatomischen Institut standen unter anderem vor: J. Planner, E. Zuckerkandl, M. Holl (lehrte als einer der Ersten die Anatomie der Körperoberfläche; nach ihm ist die "hollsche Grube" benannt) und A. Hafferl; dem Pathologisch-anatomischen Institut: R. Heschl, H. Kundrat, H. Eppinger, H. Albrecht, H. Beitzke, der (ab 1922) Forschung und Unterricht modernisierte, und T. Konschegg. 1863 wurde A. Rollett Professor für Physiologie und Histologie; er gründete eine Schule exaktester Methodik. Das Lehrfach der Inneren Medizin vertraten M. Körner, O. Rembold, F. Kraus, H. Lorenz und andere. Besonders namhafte Vertreter fand die Chirurgie in K. von Rzehaczek (ab 1851), einem Vorläufer der Betonung der Indikationsstellung, A. Wölfler, K. Nicoladoni, V. Hacker, H. Haberer, P. Walzel-Wiesentreu, der einen Höhepunkt der Grazer Medizinischen Schule bedeutete. An der Geburtshilflich-gynäkologischen Klinik lehrten K. von Rokitansky, der Sohn des bekannten Anatomen, und A. von Rosthorn. Die Endokrinologie erfuhr ab 1903 durch E. Knauer bedeutenden Aufschwung; Knauer nahm als einer der ersten Transplantationen der Ovarien im Tierversuch vor. Dermatologen waren E. Lipp, A. Jarisch, R. Matzenauer (erforschte die materne Übertragung der kongenitalen Syphilis) und andere. Die Lehrkanzel für Psychiatrie eröffnete 1874 R. Krafft-Ebing; ihm folgten J. Wagner-Jauregg, G. Anton (erfand den Balken- und Subokzipitalstich), F. Hartmann, O. Kauders und J. Reisch. Vorstände der berühmt gewordenen Augenklinik waren K. Blodig, I. Schnabel (Arbeiten über das Glaukom), M. Borysiekiewicz, F. Dimmer und M. Salzmann. 1872 übernahm K. Emele das Fach der Laryngologie, 1875 J. Kessel das der Otiatrie. J. Habermann (Entdecker der berufsbedingten Schwerhörigkeit) vereinigte beide Disziplinen. Unter G. Hofer wurde die Klinik zu einer der besteingerichteten Europas. Als Histologen und Embryologen waren tätig: V. Ebner-Rofenstein, O. Drasch, H. Rabl und Carla Zawisch. An der Kinderklinik wirkten A. Tachamer, T. Escherisch, der Begründer der österreichischen Säuglings- und Kinderfürsorge, M. Pfaundler, J. Langer, F. Hamburger (nach ihm ist die so genannte Stichreaktion benannt), A. Reuß, H. Koch und W. Lorenz. Die Zahnheilkunde eröffnete V. Tanzer; es folgten A. Bleichsteiner, der 1902 ein eigenes Institut bezog, F. und R. Trauner. Der Medizinische Chemie verschaffte F. Pregl Weltruf. Den Lehrstuhl für Hygiene besaßen Max Gruber, W. Prausnitz (Atlas und Lehrbuch der Hygiene, 1903; Verdienste um die Tuberkulosenfürsorge), H. Reichel, W. Schmied-Lange und H. M. Jettmar. Namhafte Pharmakologen waren F. Clar, der die Standesorganisation der Ärzte ausbaute, K. von Schroff, J. Möller, der Nobelpreisträger O. Loewi, W. Blume und H. Häusler. Das 1912 eröffnete Grazer Landeskrankenhaus zählte zu den modernsten Europas. 1955 wurde in Graz die 1. Radiologische Klinik Österreichs eröffnet. 1963 konnte das erste mit einer Herz-Lungen-Maschine arbeitende Team in Österreich seine Arbeit in Graz aufnehmen. Um die Geschichte der Medizin, besonders der Volksmedizin, erwarb sich V. Fossel Verdienste. Die Medizinische Fakultät der Universität Innsbruck bedeutete für viele Forscher und Lehrer das Sprungbrett ihrer Laufbahn, die sie oft von hier über Graz nach Wien führte. 1674 hielt Gaudenz von Sala in Innsbruck als erster Professor für Medizin die Antrittsvorlesung. 1735 erhielt Innsbruck eine Professur für Chirurgie (1783 Medizinisch-chirurgische Anstalt), 1754 eine für Geburtshilfe, 1763 eine Hebammenschule. 1869 wurde die Fakultät in modernem Sinn errichtet, 1888 das alle Kliniken umfassende Krankenhaus eröffnet, 1894 der Neubau der Institute für Psychiatrie und Nervenheilkunde, Dermatologie und Syphilis sowie für Laryngologie und Otologie, 1898 eine Kinderklinik, 1914/15 ein Orthopädisches Institut, 1918/19 ein Zentralröntgeninstitut und 1920 ein neuer Operationstrakt. 1846 begründete K. von Dantscher die Anatomische Lehrkanzel; Nachfolger waren unter anderen M. Holl, der Begründer der modernen Anatomie in Innsbruck, W. Roux, F. Hochstetter, R. Fick, F. Sieglbauer (Lehrbuch der normalen Anatomie des Menschen, 1927) und G. Sauser. Experimentelle Pathologie lehrten ab 1878 (Institutsgründung 1887) M. Dietl, M. Loewit (Verdienste um die hämatologische Forschung), H. Pfeiffer und der Hormonforscher G. Bayer (Klinisches Lehrbuch der Inkretologie, 1927; Nebennieren, 1929). Den Lehrstuhl für Pathologische Anatomie erwarben ab 1869 F. Schott, G. Pommer, dessen Schule Kernstück der Fakultät wurde, E. von Hibler ("Untersuchungen über die pathogenen Anaèroben", 1908, ein Standardwerk), F. Werdt, B. Gruber und F. J. Lang (Arbeiten über Knochenpathologie, Bluterkrankungen und Gewebskultur). Das Fach der Physiologie vertraten ab 1875 unter anderen M. von Vintschgau, E. T. Brücke und F. Scheminzky. 1873 eröffnete G. Oellacher das Histologisch-embryologische Institut, 1903 fortgeführt von L. Kerschner (entwicklungsgeschichtliche Arbeiten), H. Rabl, S. Schumacher, dessen Lehrbuch über Histologie noch heute beliebt ist, und J. Mathis. Innere Medizin lehrten J. Laschan von Solstein, M. Körner (vertrat die "hydraulische Diagnose"), N. Ortner, R. Schmidt und A. Steyrer, der seine Klinik zum Mittelpunkt der Fakultät machte. Im Lehrfach der Chirurgie verhalf E. Albert dem antiseptischen Verfahren zum Durchbruch. K. Nicoladoni erweiterte das Fach nach der orthopädischen Seite hin; V. Hacker machte ihm die Endoskopie dienstbar. H. Schloffer führte die Asepsis ein, H. Haberer bereicherte die Magen-Darm-Chirurgie. E. Ranzi machte die Klinik zu einer der bestgeführten Anstalten, die nach seinem Tod B. Breitner übernahm. Die neuerbaute Psychiatrisch-neurologische Klinik übernahm G. Anton, weitergeführt von C. Mayer (nach ihm ist der Finger-Daumen-Reflex benannt), H. Scharfetter und H. Urban. Die Frauenheilkunde eröffnete 1847 W. Lange; erst 1869 wurde die Gynäkologie in die Fakultät übernommen. F. Schauta legte hier den Grund seines Ruhms; E. Ehrendorfer führte die Wiener Schule T. Billroths ein; es folgten P. Mathes, H. Eymer, H. Zacherl, J. Amreich, T. Antoine und S. Tapfer. Als Augenheilkundler wirkten unter anderem W. Czermak, dessen Lehrbuch "Die augenärztlichen Operationen" noch heute bekannt ist, und F. Dimmer. An der Otolaryngologischen Lehrkanzel (1893) lehrten G. Juffinger, H. Herzog, W. Krainz (hervorragend auf dem Gebiet der Histologie der Knochenerkrankungen) und L. Hörbst. E. Lang errichtete die Dermatologische Abteilung (1873 1. Vorstand), gefolgt von A. Jarisch, J. H. Rille ("Die Schädigung der Haut durch Berufs- und gewerbliche Arbeit", 3 Bände, 1922-26), L. Merk ("Die Hauterscheinungen der Pellagra", 1909), W. Kerl und L. Kumer, die beide die Wiener Dermatologischen Schule einführten, sowie J. Konrad. Die Gerichtsmedizin (bis 1892 "Staatsarzneikunde") war mit dem Fach Hygiene gekoppelt. 1869 hat E. von Hofmann das Institut übernommen (dessen Lehrbuch A. Haberda 1927 neu auflegte); seine Nachfolger waren J. Kratter, P. Dittrich (Herausgeber eines vielbändigen Lehrbuchs), C. Ipsen, bahnbrechend auf forensisch-toxikologischem Gebiet, und K. Meixner. Die Leitung des Instituts für Hygiene übernahm 1897 A. Lode, dem F. Weigmann und W. Hauptmann folgten. 1836 übernahm E. A. Michael als Erster den Lehrstuhl für Angewandte medizinische Chemie; es folgten R. Maly, O. Senhofer, W. F. Loebisch, die 3 späteren Nobelpreisträger A. Windaus aus Freiburg, F. Pregl und der Deutsche H. Fischer, der während der Innsbrucker Tätigkeit die Identität des Hämatoidins mit dem Bilirubin nachwies. Pharmakologie lehrten A. Tschurtschenthaler, J. Möller, J. Nevinny und A. Jarisch. Mit der Berufung von Johann Loos entstand 1896 die Universitätskinderklinik. Das Zahnärztliche Institut wurde 1905 von B. Mayrhofer (Lehrbuch der Zahnkrankheiten, 1912; Herausgeber der Zeitschrift für Mund- und Kieferchirurgie, 1914ff., und "Die Ergebnisse der gesamten Zahnheilkunde", 1910ff.) als das Erste seiner Art in Europa eingerichtet. Die Universitätskliniken (Chirurgische Klinik 1981, Neurologie- und Frauenklinik 1987) wurden großzügig ausgebaut. Eine Anzahl hervorragender Professoren (B.Breitner und R. Margreiter, Chirurgie; Franz Gschnitzer, Thoraxchirurgie; Anton Hittmair, Haematologie; Siegfried Tapfer, Frauenheilkunde; Paul Wiflingseder und Heribert Hussl, Plastische und Wiederherstellungschirurgie; Herbert Braunsteiner, Innere Medizin; Gustav Sauser, Anatomie und Histologie; Werner Platzer, Anatomie; Wolfgang Baumgartner, Chirurgische Geriatrie) machten Innsbruck zu einer international bekannten Ausbildungsstätte. In den Ländern ohne Universitäten übernahmen die Primariate an den Landes- und Bezirksspitälern die Ausbildung von Ärzten; in Linz, Klagenfurt und Innsbruck bestanden bis 1873 Medizinisch-chirurgische Anstalten, an denen die "Wundärzte" ausgebildet wurden. In Oberösterreich war A. Brenner der Initiator der modernen Chirurgie, Gründer der Linzer freiwilligen Rettungsgesellschaft und Förderer des Turnens. In Salzburg kann seit dem 17. Jahrhundert von einem Sanitätsdienst gesprochen werden. 1803-05 bestand an der alten Universität eine Medizinische Fakultät, die dann durch die Medizinisch-chirurgische Anstalt abgelöst wurde, wo die Chirurgenschule eine besondere Bedeutung erlangte. R. von Karajan verschaffte der modernen Chirurgie Eingang. C. Varnschein gründete das Rettungswesen im Land Salzburg. In Klagenfurt schuf C. von Vest (* 1720) zahlreiche hygienische Einrichtungen. Hervorragende Ärzte Kärntens waren O. Purtscher, der den Ruhm der Augenabteilung am Landeskrankenhaus begründete, und J. von Burger ( 1879), der den Bau einer neuen Anstalt für Geisteskranke durchsetzte und ein ausgezeichneter Physiologe und Botaniker war. In Tirol lehrte J. Ennemoser den tierischen Magnetismus und - ein halbes Jahrhundert vor Haeckel - das biogenetische Grundgesetz und bemühte sich um die Anerkennung der Psychiatrie als akademisches Lehrfach; ihm ist es zu danken, dass die "Tollhäuser" als Heilanstalten bezeichnet werden. Der namhafteste Arzt von Vorarlberg war der Nicoladoni-Schüler Josef Lipburger ( 1923), ein ausgezeichneter Chirurg. L. Burtscher führte die moderne Chirurgie ein. T. Scherrer (* 1878) baute den Sanitätsdienst in Vorarlberg auf. Namhafte Ärzte von Niederösterreich waren unter anderem F. Strohmayr ("Physikalisch-Medizinische Topographie der Kreisstadt St. Pölten"), die Ärztefamilie Managetta, der Chirurg H. Sauer in Krems und der Balneologe W. Winternitz. Zu den großen Ärzten des Burgenlands zählen J. Hyrtl, der Ophthalmologe L. Batthyány-Strattmann und der Nervenarzt M. Benedikt. Das Sanitätswesen fand schon früh eine umfassende Organisation (Sozialmedizin), vor allem aber im Rahmen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), das die Krankenversicherung reformierte. 1867 entstand die Österreichische Gesellschaft vom Roten Kreuz, dem später das Jugendrotkreuz folgte. 1870 wurde der Oberste Sanitätsrat geschaffen. Auf eine große Tradition kann in Österreich die Balneologie zurückblicken (Heilbäder). Einzelne Probleme der Volksgesundheit fanden im 20. Jahrhundert ihre besondere Beachtung (Blutspendewesen, Impfung, Krebsforschung und andere). Besondere Bedeutung in der medizinischen Forschung kommt auch den Krankenhäusern zu. Die Ärzte haben in den Kammern ihre Standesvertretung (Ärztekammern). Literatur: H. Glaser, Österreichs große Ärzte, 1935; derselbe, Wiens große Ärzte, 1949; Österreichische Ärzte als Helfer der Menschheit (Notring-Jahrbuch 1957); Österreichische Naturforscher, Ärzte und Techniker, 1957; E. Lesky, Die Wiener Medizinische Schule im 19. Jahrhundert, 21978; K. Freisitzer und andere (Hg.), Tradition und Herausforderung, 400 Jahre Universität Graz, 1985; K. H. Spitzy (Hg.), Gesellschaft der Ärzte in Wien, 1837-1987, 1987.
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